16. Mai 2023

TelefonSeelsorge Saar stellt Jahresbericht für 2022 vor: „Telefon klingelt auch nachts ununterbrochen“


Die TelefonSeelsorge Saar hat ihren Jahresbericht für 2022 vorgestellt. Während Einsamkeit/Ängste nach wie vor die häufigsten Gründe sind, zum Telefonhörer zu greifen, stieg im vergangenen Jahr die Zahl an Menschen stark, die sich mit Suizidabsichten an die TelefonSeelsorge wandten.

Einsamkeit bleibt das bestimmende Thema der Anruferinnen und Anrufer am Telefon bei der evangelisch-katholischen TelefonSeelsorge Saar. Bei fast einem Drittel (29,2 Prozent) aller Gespräche war Einsamkeit der Anlass für einen Anruf. Auf den Plätzen zwei, drei und vier bei den Gesprächsanlässen liegen Ängste, familiäre Beziehungen sowie körperliches Befinden. Das geht aus dem Jahresbericht für das Jahr 2022 hervor, den die evangelisch-katholische TelefonSeelsorge Saar jetzt vorgestellt hat.

„Das Jahr 2022 war wieder ein Krisenjahr: Erneut ein Coronawinter, dann der Ukrainekrieg und dadurch ausgelöst Existenz- und Finanzängste“, sagen die katholische Leiterin, Diplom-Psychologin Heidrun Mohren-Dörrenbächer, sowie der evangelische Leiter, Pfarrer Volker Bier. Diese Themen, die häufig am Telefon benannt würden, beeinflussten Stimmung und Lebenszufriedenheit negativ und lassen eine depressive Stimmung als Hintergrund des Anrufs erahnen. Daher hat das Team der Telefonseelsorge das Thema „Depressionen“ zum Schwerpunktthema des Jahresberichts 2022 gemacht.

In allen Beratungsangeboten – Telefon, Mail, Chat sowie in der persönlichen Beratung – sind im Vorjahr die Erwägungen oder gar Absichten von Suizid deutlich gestiegen. So tauchten in 38,3 Prozent der Seelsorge- und Beratungsgespräche via Mail und in 25,6 Prozent der Chatkontaktaufnahmen Suizidgedanken oder -absichten auf. Im persönlichen Gespräch wurden in 35,8 Prozent der Beratungen (2021: 21,6 Prozent) Suizidalität benannt. Diese Tendenz sei „erschreckend“, so Mohren-Dörrenbächer. Daraus resultiere zudem ein erheblicher Beratungsbedarf.

Am Telefon wird das hörbar an der Länge der Gespräche. Rund 20 Minuten sind Anrufer und TelefonSeelsorge durchschnittlich miteinander verbunden. Hilfesuchende müssen mehrmals anrufen, bis sie jemanden erreichen. Und: „Auch nachts klingelt das Telefon mittlerweile ununterbrochen“, sagt Bier.

Mit 12.051 Anrufen klingelte es bei der TelefonSeelsorge Saar im Vorjahr nur geringfügig weniger als 2021 (13.200 Anrufe). Unter diesen Anrufen lag der Anteil der Seelsorge- und Beratungsgespräche mit rund 80 Prozent unverändert hoch. Den Bedarf und auch die gestiegenen Ansprüche an die Beratungsgespräche kann die TelefonSeelsorge kaum noch bedienen.

Während vor 20 Jahren zu drei Vierteln Frauen die Nummer der Telefonseelsorge wählten, nähert sich das Geschlechterverhältnis am Telefon immer mehr an: Wie 2021 waren auch im Vorjahr 58 Prozent der Anrufenden weiblich, 41 Prozent männlich. Der Anteil der Anruferinnen und Anrufer, die Probleme mit einer psychischen Erkrankung vorweisen, lag im Vorjahr bei 36,3 Prozent (2021: 43 Prozent). Vor 20 Jahren lag er noch unter fünf Prozent.

Deutliche Unterschiede gab es bei den Kommunikationsformen: Wer einsam ist, greift eher zum Telefonhörer. „Die Menschen wollen ein Ohr, einen echten Ansprechpartner, wenn sie sonst niemanden haben“, erklärt Mohren-Dörrenbächer. In der Mail-Beratung sind dagegen depressive Verstimmungen das häufigste Thema, in der persönlichen Beratung standen Ängste an erster Stelle. Die TelefonSeelsorge Saar ist neben Duisburg bundesweit der einzige Standort der Telefonseelsorge, der von Telefon über Mail- und Chatberatung bis zum persönlichen Gespräch alle Kontaktmöglichkeiten anbietet. Unterschiede werden im Generationenverhalten sichtbar: Bei der Mail-Beratung waren 38 Prozent der Ratsuchenden unter 20 Jahre alt. Die persönliche Beratung suchten vor allem Menschen zwischen 50 und 69 Jahren auf.

Die Gespräche und die Online-Seelsorge führten vor allem die 75 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TelefonSeelsorge Saar. Sie sind 365 Tage im Jahr rund um die Uhr bereit, Menschen in Krisensituationen zuzuhören, sie zu unterstützen, zu trösten und neue Blickwinkel zu öffnen.

Im vergangenen Jahr haben acht Menschen die Ausbildung zu ehrenamtlichen Beraterinnen und Beratern (zwei Männer, sechs Frauen) abgeschlossen, sieben weitere Frauen werden den 2022 begonnenen Kurs in den nächsten Wochen abschließen. Trotz großem Interesse bei Info-Veranstaltungen sinken die Ausbildungszahlen kontinuierlich, da sich weniger Menschen für das anspruchsvolle Ehrenamt mit Nachtdiensten entscheiden. „Eigentlich bräuchten wir jedes Jahr 12 neue Mitarbeiter“, sagt Pfarrer Volker Bier und wirbt gleichzeitig für das Ehrenamt: „Besonders hier ist, dass man hier miteinander in den Gruppen lernt.“ Man lerne sich selbst besser kennen und entwickele sich persönlich weiter.

Menschen, die sich für die ehrenamtliche Mitarbeit bei der Ev.-Kath. TelefonSeelsorge Saar interessieren, können sich per Mail oder per Telefon an die Telefonseelsorge wenden: Mail: Bewerbung@telefonseelsorge-saar.de oder Telefon: 0681-9686922 (Anrufbeantworter). Erstmals wird es einen Auswahltag für Interessierte geben, der am 5. August von 10 bis 15 Uhr in einer Gruppe stattfinden wird.

Jahresbericht 2022 (PDF Download)

 

Die Telefonseelsorge ist in Deutschland durch über 100 Stellen, bundesweit, 24 Stunden, gebührenfrei und anonym unter der Telefonnummer 0800 111 0 111 erreichbar.   
Bei der Evangelisch-katholischen TelefonSeelsorge Saar engagieren sich rund 70 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die 24 Stunden, rund um die Uhr seelsorgerliche Gespräche am Telefon anbieten. Für diese Aufgabe werden sie über ein Jahr lang sorgfältig ausgebildet. Vier hauptamtliche Kräfte (zwei Diplom-Psychologinnen, ein Diplom-Psychologe und ein evangelischer Pfarrer) begleiten die Beratungen am Telefon, die Mail- und Chat-Beratung, unterstützen die ehrenamtlich Mitarbeitenden und bieten persönliche Gespräche in der Beratungsstelle an.
www.telefonseelorge-saar.de





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