28. Januar 2023
Volker Hassenpflug zu einem aktuellen Thema:

Fotos ohne Pickel und Falten


Auf dem Weg nach Saarbrücken fällt mein Blick immer wieder auf einen Werbeaufsteller eines Fotografen vor seinem Geschäft: "Fotos ohne Pickel und Falten."

Schön, denke ich, was man mit Bildbearbeitung alles machen kann. Dann denke ich an die vielen Selfies, von denen soziale Netzwerke voll sind, und von denen auch viele mit einem Fotofilter gemacht worden sind: Weichzeichner, retuschierte Flecken und Pickel, etwas schlanker gemacht, der Teint etwas sonnengebräunter, ... Und ruckzuck erblickt man auf dem Foto ein Abbild von sich selbst, wie man aussehen könnte, wenn - wie man es sich dann so vorstellt - alles optimal wäre.

Ja, es ist tatsächlich eine Sehnsucht, die in uns ruht, so auszusehen, als würden das Leben und die Vergänglichkeit keine Spuren an uns hinterlassen. So zu sein, wie ich im optimalen Fall sein könnte. Da sind meine Augen, meine Nase, meine Gesichtsform, ... alles, was mir gegeben wurde, aber so, wie es eben im besten Fall sein könnte: Ohne Falten, ohne Pickel. Da leuchtet unsere Sehnsucht auf nach Ganzheit, Unversehrtheit, unsere Sehnsucht nach Heil.

Einer meiner tiefsten Glaubenssätze ist:
Gott kommt in mein Leben, indem er den Spuren meiner Sehnsucht folgt.

Er begegnet mir in meiner Sehnsucht nach Heil und Ganzsein.
Ich glaube, dass Gott, wenn er mich mit seinem liebevollen Blick ansieht, zunächst einmal so sieht, wie ich bin: Er sieht mich mit allen meinen Pickeln und Falten und gerade mit allem, was sich an mir nicht wie im besten Fall entwickelt hat. Und das sind nicht nur äußerliche Pickel und Falten, sondern auch die mir von Gott in mich gelegten Gaben, die ich aber nicht ganz so zum Besten entwickelt habe, wie es sein könnte.

Vielleicht, weil anderes stärker war, wie zum Beispiel meine Bequemheit, mein Unvertrauen, mein Streben nach Macht, ... Ich bin sicher, da habe ich mich nicht so entwickelt, wie ich im besten Fall sein könnte.

Ja, das gibt es, und das sieht Gott an. Er sieht es an mit seinem liebevollen Blick, nicht verurteilend, nicht fordernd, sondern mit Annahme. Und der liebevolle Blick Gottes sieht noch ein Zweites: nämlich mich ohne Pickel und Falten.

Gott sieht mich eben auch so, wie ich im besten Fall sein könnte, indem ich meine Bequemheit, mein Unvertrauen und so vieles anderes überwinden würde.

Gott sieht beides: Er sieht mich mit meinen Pickeln und Falten, so wie ich bin - und er sieht mich ohne Pickel und Falten, mit allen Gaben, die er in mich gelegt hat.
Es sieht mich so, weil er mich liebt.

Ich glaube, das ist eine gute Beschreibung für Liebe: Es ist Liebe, jemanden zu sehen, wie er ist, mit Pickel und Falten, und gleichzeitig ihn so zu sehen, wie wenn alle Gaben in ihm voll zur Blüte gekommen wären, und das ist - symbolisch gesprochen - eben ohne Pickel und Falten.

Machen Sie also getrost auch mal ein Foto von sich ohne Pickel und Falten, aber machen Sie vor allem eines mit Pickel und Falten. Gott sieht uns nämlich genau so an. Und warum sollten wir das dann nicht auch tun und uns und alle Menschen so ansehen?





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